"MÜTTER UND TÖCHTER"
("Mother and Child")
REGIE: Rodrigo Garcia
BUCH: Rodgrigo Garcia
DARSTELLER: Naomi Watts, Annette Bening, Kerry Washington, Samuel L. Jackson,
Jimmy Smits
USA/SPANIEN 2009, 125 Minuten, Farbe, 35mm + Digital, DF, OV, OMU
GENRE: Drama
START: 03.06.2011
Karen wurde als Teenager Mutter und gab ihre Tochter Elisabeth weg. Obwohl
sich Mutter und Tochter dadurch nie trafen, beeinflusst diese Adoption das Leben
beider Frauen nachhaltig. Das Paar Lucy und Joseph wünscht sich ein Kind, doch
es klappt nicht, da die junge Lucy kein Kind bekommen kann. Die Schicksale
unterschiedlicher Menschen werden durch das Motiv der Mutterschaft miteinander
verbunden und die Wege dieser Menschen kreuzen sich auf schicksalhafte Weise.
Kritik
von Thomas Brendel
Karen ist eine sehr verschlossene, unverheiratete und kinderlose
Physiotherapeutin, die sich nach Feierabend um die Pflege ihrer abweisenden
Mutter kümmert. Wir erfahren, dass Karen als Teenager ungewollt schwanger wurde
und ihr Baby auf Druck ihrer Mutter zur Adoption freigab. Ein Verlust, der ihr
gesamtes Leben von diesem Zeitpunkt an prägte. Elizabeth hingegen ist eine
unterkühlte, erfolgreiche junge Anwältin, die scheinbar völlig entwurzelt immer
wieder Städte und Arbeitsplätze wechselt. Unfähig jegliche Bindungen einzugehen,
verbringt sie ein Leben in emotionaler Isolation. Der Zuschauer erfährt sehr
rasch den Grund für Elizabeths Lebensstil: Sie wurde als Baby zur Adoption
freigegeben, hat ihre leiblichen Eltern nie kennen gelernt. Mütter und Töchter
macht keinen Hehl daraus, in welcher Beziehung die beiden Protagonistinnen des
Films zueinander stehen. Anstatt auf einen Überraschungseffekt im Laufe des
Films zu setzen, spielt García von Beginn an mit offenen Karten, was der
emotionalen Tiefgründigkeit des Films und seiner Figuren gut tut.
Komplettiert wird das Ensemble durch eine dritte Hauptfigur. Die zurückhaltende Konditoreibesitzerin Lucy, die sich nichts sehnlicher wünscht, als ein Baby. Da sie und ihr Mann jedoch keine Kinder bekommen können, wenden sich die beiden an eine kirchliche Adoptionsagentur. Dort treffen sie auf ein junges, schwangeres Mädchen, welches ihr Baby abgeben möchte, jedoch sehr konkrete Vorstellungen von der künftigen Pflegefamilie hat. García ergänzt seinen kleinen Mikrokosmos von Müttern und Töchtern um einige weitere bereichernde Nebenfiguren, wie beispielsweise Karens Haushaltshilfe Sofia und deren kleine Tochter, die beide offensichtlich ein besseres Verhältnis zu Karens pflegebedürftigen Mutter haben, als diese selbst. Auch wenn Garcías Film von einer Vielzahl von Charakteren bevölkert wird, liegt der Fokus klar auf der detaillierten Zeichnung des Innenlebens seiner Hauptfiguren. Die Nebenhandlungen vervollständigen jedoch das Gesamtbild durch weitere interessante Aspekte der Mutterschaftsthematik.
Getragen wird der Film vor allem durch seine hervorragenden Hauptdarstellerinnen. Annette Bening liefert als resolute, verschrobene und im Verlauf der Geschichte zunehmend verletzlichere Karen eine intensive und emotional einnehmende Darbietung ab. Nicht minder überzeugend ist Naomi Watts in ihrer anfangs weniger vielschichtig erscheinenden Rolle. Dass Kerry Washington im Vergleich zu ihren beiden Kolleginnen ein wenig abfällt, liegt weniger an ihr, als an der Tatsache, dass ihrer Figur eine eher untergeordnete Rolle zukommt. Hier merkt man deutlich, dass dieser Handlungsstrang in der ursprünglichen, ersten Fassung des Drehbuchs nicht vorgesehen war. Die Männer spielen in Mütter und Töchter wenig überraschend nur eine Nebenrolle. Dies hielt García allerdings nicht davon ab, sie mit grossartigen Schauspielern wie Samuel L. Jackson, Jimmy Smits und David Morse zu besetzen. Diese revanchierten sich mit durchwegs soliden Vorstellungen.
Aufgrund seiner Ernsthaftigkeit und durchgehend melancholischen Grundstimmung, die nur sehr wenige aufmunternde Momente zulässt, ist Mütter und Töchter alles andere als ein Feel-Good-Film. García schuf mit seinem gefühlvollen Seelenportrait dreier Frauen einen realistischen, aber auch deprimierenden Film, welcher aufgrund seiner eindringlichen Atmosphäre unter die Haut geht.