"AUF WIEDERSEHEN, KINDER"
("Au Revoir Les Anfants")

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REGIE: Louis Malle
BUCH: Louis Malle
KAMERA: Renato Berta
SCHNITT: Emmanuelle Castro
MUSIK: Franz Schubert, Camille Saint-Saens
PRODUKTION: NEF, Stella, Nouvelles Editions, MK2, Centre National, Invest
DARSTELLER: Gaspard Manesse, Raphael Fejtö, Francine Racette, Philippe Morier-Genoud

FRANKREICH 1987, 105 Minuten, Farbe, 35mm, DF
GENRE: Klassiker/Drama
START: 08.03.1996

Manchmal brauchen Filme, die aus dem Zentrum persönlicher Erfahrung kommen, das Feuer frischer Leidenschaft - manchmal aber auch das langsame, verborgene Reifen in vielen Jahren, die Klarheit der Distanz.

Louis Malles erster französischer Film nach 10jähriger Arbeit in Amerika ist ein tief berührendes Werk der Reife: Seine Kindheitserinnerung an einen Januartag 1944 im Klosterinternat bei Paris, als drei neue Mitschüler von der Gestapo abgeholt wurden, weil sie (was die anderen Schüler nicht wussten) Juden waren. Die Patres wollten ihnen den Schutz der Schule geben - doch ein Denunziant (man erkennt in ihm Züge von Malles "Lacombe Lucien" von 1974 wieder) verrät die Spur.

"Auf Wiedersehen Kinder", sagt der Schulleiter Pater Jean, als er verhaftet wird. Er starb in Mauthausen, die drei Schüler blieben in Auschwitz.

Die grosse formale Kunst dieses gefühlsstarken, doch niemals sentimentalen Films liegt nicht nur in der wehmütig liebevollen Beschwörung pubertärer Internatsnöte (katholische Knaben aus reichem Hause, privilegienbewusst, locker Schwarzhandel treibend, grausam nach Kinder-Art), nicht nur im atmosphärischen Detail der vierziger Jahre. Sie liegt vor allem im subtilen Nachvollziehen der Naivität dieses Lebensalters.

Julien hat weder eine Vorstellung davon, was "Juden" sind, noch warum sie verfolgt werden, und was mit ihnen passiert, kann er schon gar nicht ahnen. Doch was er sieht, das sieht er genau. Das saugt er auf in seiner Phantasie wie ein Schwamm. So werden seine Gespräche mit Bonnet, der eigentlich Kippelstein heisst, ihr gemeinsames Lesen verbotener Bücher, ihr verunglückter Pfadfinderausflug und ihr Restaurantbesuch mit Juliens Mutter zu Freundschaftserlebnissen voll geheimer Gefahr. Und die Schulvorführung von Chaplins "Immigrant" bekommt einen bitter komischen Doppelsinn.

Internats-Seelenaufruhr im Schatten von Kollaborateuren und deutschen Besatzern, eingebrannt in ein Kindergedächtnis: Ein bewegend schöner und sensibler Film.
(Ponkie, AZ)